Leipzig, Teil 2




Ich gebe zu: SO hatte ich mir meine Rückkehr nach Leipzig nicht vorgestellt. Ich wollte nach all dem, was mir in diesem Jahr widerfahren war, zurück in ein zu Hause und gelandet war ich nun (siehe Kapitel "Leipzig, Teil 1") in der "Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig". Das passierte in der Nacht vom Mittwoch zum
Donnerstagmorgen.
Den restlichen Donnerstag verbrachte ich auf einem Krankenbett der Klinik und heulte vor mich hin.
Am Abend fand ich die Kraft, mich an den Essenstisch zu setzen.
Der Herr neben mir am Essenstisch beugte sich zu mir, fragte mich nach meinem Namen und zeigte mir in geheimnisvoller Art seine Pulsadern: "Thomas, hast du auch schonmal drüber nachgedacht?" und fuhr sich mit dem rechten Zeigefinger über die Pulsadern der linken Hand...
NEIN, DARÜBER hatte ich in der Tat noch nie nachgedacht. Wie auch, ich Angsthase?
Es fanden sich VIELE Leute wie er dort, allen war gleich, dass sie mit persönlichen Problemen zu kämpfen hatten. Eine sehr junge Frau versuchte ständig, sich die Arme aufzuritzen, ein Anderer war NUR schlecht gelaunt und ließ seine Wut an Anderen aus, die Meisten jedoch sagten GAR nichts.
Ich hielt mich immer -obwohl ja nun Nichtraucher- im Raucherzimmer auf, dort saßen meiner Meinung nach, die noch normalsten Menschen. Ein junger Punk wies sich am selben Tag, wie ich dort erschien, selbst ein und dieser war mir der Liebste meiner "Leidensgenossen". Er las ohne Pause und schaffte manchmal das Lesen 2er Romane aus der Stationsbibliothek an einem Tag. Mit ihm konnte man REDEN, denn er war offenbar tatsächlich "nur" und freiwillig aufgrund seiner sich anbahnenden Alkoholsucht dort gelandet.
Gespräche mit anderen "Leidensgenossen" erwiesen sich als schwierig. Im Raucherzimmer saß fast ständig eine junge Frau. Die Belüftungs-Geräusche im Raum brachten es mit sich, dass man manchmal sein Gegenüber akustisch nicht verstand. Die junge Frau erzählte mir etwas und ich verstand einen Teil also akustisch nicht und fragte nach, was sie denn gesagt hätte..
Daraufhin brach sie in tiefe Tränen aus: "KEINER VERSTEHT MICH!!!"
In meinem Zimmer, das mir zugeteilt wurde, befanden sich noch zwei weitere Leidsgenossen. Der rechts von mir ist mir bis heute unbekannt. Er lag den ganzen Tag in seinem Bett und schlief STÄNDIG,
Mir gegenüber befand sich "der tanzende Russe". J. erwachte am Morgen immer gegen 4 Uhr, warf seinen Laptop an, setzte Kopfhörer auf und begann zu tanzen! J. tanzte den ganzen Tag über, nur unterbrochen von Mahlzeiten.

Die ersten drei Tage in dieser Klinik verbrachte ich fast ausschließlich mit Heulen. Am Freitag besuchten mich drei Leute vom Comicstammtisch und die liebe MARION versorgte mich mit meinem neuen "Glücksbringer", einem HASEN.



Kann man sich vorstellen, wie viel Kraft und Verzweiflung es mich gekostet hat, am Freitag Abend zu wissen, dass in einer geschätzten Entfernung von 400 Metern all meine Freunde in bierseliger Runde beim Stammtisch saßen und ich in der Psychiatrie nebenan? Kann man nicht und das wünsche ich KEINEM von euch!
Auch den Samstag verbrachte ich weitestgehend mit Heulerei und damit, sinnlos im Bett herum zu liegen.



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