Bennewitz, Teil 4




Bleibt die Frage, womit ich meine "Freizeit" in Bennewitz verbringen konnte. VIEL war da nun tatsächlich nicht...
Ich DANKE an dieser Stelle erstmal M, A und A und E für die vielen Besuche und die Hilfe in waschtechnischen Sachen.
Außerdem war es natürlich auch für E. nicht leicht, den heulenden Opa zu erleben. E: Wenn du in ein paar Jahren das hier vielleicht liest, kannst du eventuell verstehen, was da los war mit dem alten Herren...
Außerdem DANKE an alle Freunde, die mich besuchten und mit LESESTOFF, Musik, Getränken oder einfach mit ihrer schieren Anwesenheit beglückten! Da ich hier ohne Namen auskommen möchte, erwähne ich euch nicht alle, das hat nichts mit EUCH zu tun! Als Beispiel hier 2 Fotos vom Besuch zweier netter Freunde:




DER TAG, ALS DIE WELT UNTERGEHEN SOLLTE


Es gab "solche" und "solche" Tage. Und eines schönen Freitags beschloss ich (völlig sinnloserweise), ab sofort nicht mehr leben zu wollen. Was Andere durch Pillenschlucken oder andere Suizidformen leisten, sollte bei mir durch Essensverweigerung funktionieren. Am Freitag Abend aß ich NICHTS. Am Samstag Morgen blieb ich im Bett. "Herr Wilde, KOMMEN SIE ESSEN? - NEIN!" Ebenso zu Mittag. Da wurde man darauf aufmerksam und die Oberärztin besuchte mich am Bett: "Herr Wilde, Sie essen nichts? Wieso?" Meinen Hungerstreik rettete ein Patient im Nachbarzimmer, der plötzlich kollabierte und die Oberärztin andere Sorgen bekam als einen hungernden Lebensverweigerer.
Gegen 14 Uhr begann ich zu überlegen: "Was soll das eigentlich bringen? Am Ende ernähren sie dich noch künstlich, das schaffst du nicht!" Somit ging ich mich duschen und verließ die Station in Richtung Eingangsfoyer und schnappte mir dort eine Zeitung, als ich zwei Typen vor der Klinik rauchend bemerkte. Ich dachte kurz "Die kennst du doch irgendwie?", verwarf diesen für mich kruden Gedanken jedoch sehr schnell.
Plötzlich betraten die zwei die Klinik, standen vor mir: "Hallo, Thowi, wir wollten dich besuchen!" Ich glaubte, den Verstand zu verlieren! M. und R.. zwei Freunde aus BERLIN waren den weiten Weg gefahren, um mich zu besuchen! Als die zwei vor der Tür erneut dem Rauchgenuss frönten, fuhr hupend ein Auto um die Ecke. Dem entstiegen M., S., F. und T. aus Leipzig, mir zurufend: "Thowi, hast du eine Badehose? Komm, wir fahren zum Baden"
Und so stand ich, der am Vormittag und in der Nacht zuvor noch einfach so den Löffel abgeben wollte, eine Autostunde später im See und verstand die Welt nicht mehr. DANKE, Freunde, DAS werde ich euch NIE vergessen! Mein Leben und mein Seelenheil waren für WENIGSTENS einen Tag gerettet! Das sind Dinge, deren man sich gern erinnert!










AUSFLÜGE

JA, das war absolut ILLEGAL. Natürlich war es strikt verboten, das Klinikgelände zu verlassen.
Bestes, oder vielmehr SCHLECHTESTES Beispiel: M. und E. besuchten mich und er rief von unterwegs an, um mich zu bitten, mit den beiden Lieben essen zu fahren. Das Ganze machte mich derart AUFGEREGT, dass ich schon SPÜRTE, dass mein Blutdruck stieg. Méin "Lieblingspfleger" "erwischte" mich beim Versuch, die Station zu verlassen: "Wo wollen Sie denn hin? Da muss ich erst den Blutdruck messen!" NATÜRLICH ahnte ich vorher, was mich erwartete. Zu hoher Blutdruck vor lauter Aufregung und das Verbot, die Klinik zu verlassen...! So verbrachten meine Lieben sage und schreibe ZWEI STUNDEN auf meinem stinklangweiligen Krankenzimmer, immerhin konnte ich die kleine E. mit dem Hoch- und Hinunterfahren des Bettes und dem Verzehr von Gummibärchen besänftigen.
DANKE auch an H. aus Bennewitz, der es in einer für mich schier ausweglos scheinenden Situation fertig brachte, mich heimlich auf einen Trip nach Leipzig in unsere Stammtischkneipe zu entführen oder M. aus Dresden, die mich tatsächlich für eine Stunde zum Leipziger Comicstammtisch kutschierte. Dass ich dort nicht vor Glücksgefühl kollabierte, war wohl nur der zusätzlichen Tatsache geschuldet, dass dort gerade ein für mich gestaltetes "Comix & Beer"-Heft verteilt wurde und ich hin und weg war vor lauter anderer Gefühle...:





SELTSAME SITTEN

Es war schon manchmal verstörend, zu beobachten oder zu erleben, wie mit PATIENTEN umgegangen wurde, Mir selbst erlaubte man z.B. nicht, mich eher vom "Basteltisch am Nachmittag" zu entfernen, weil meine kleine Familie (Schwiegertochter, Enkelin, Sohn) zu Besuch kam. Seltsam und befremdlich erschien mir auch, als der Besucher, der beim Kutschieren seiner Frau im Rullstuhl eine Schwester fragte, wie lange seine  Frau noch im Rollstuhl sitzen beleiben müsse, vor ALLEN ANDEREN PATIENTEN hören musste, dass sie "NIE MEHR" aus dem Rollstuhl aufstehen könne. Dies mochte zwar stimmen, trotzdem ist es meiner Meinung nach keine Art, so etwas vor allen Patienten heraus zu posaunen. Was mir selbst unter der Dusche in den ersten Tagen passierte, hatte ich ja bereits erwähnt, aber das passt auch in diesen Zusammenhang. So konnte man schnell die Angestellten in zwei Kategorien einordnen: Die GUTEN und die BÖSEN. So einfach.

VOM SAULUS ZUM PAULUS oder die SELTSAME VERWANDLUNG


Sohnemann war mit Familie zu Besuch und verschwand plötzlich heimlich, um mit dem Spruch wieder zu kehren: "Vater, ich hab dir `nen Haarschnitt bezahlt. Kommenden Dienstag bist du dran und WEHE, die kommen nicht ab!". Aus zwei Gründen fiel DIESE Entscheidung leicht. Meine Haare waren seit dem Unfall ARG vom "Spliss" betroffen und mehr weiß als schwarz gefärbt und WENN ich UNBEDINGT einem Menschen einen Gefallen tun wollte in jener Zeit, dann ihm. So hatte auch der langhaarige Thowi nach mehr als 20 Jahren ein Ende. Und wenn ich es zugeben soll, ich habe es GERN getan! Ein kleines internes Geheimnis: Selbst meine PLATTE auf dem Hinterkopf ist auf wundersame Weise wieder von HAAREN bedeckt worden. Jetzt behauptet bitte Keiner, es gab ja nur Vorteile! Im Gegenteil. Aber das soll jetzt und hier kein Thema sein. Ich versuche lediglich, aus all dem Chaos etwas POSITIVES heraus zu filtern. Oft gelingt das, leider jedoch nicht immer.




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